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Konzernsklave

von Thorsten Egolf
Die Rechte liegen bei dem Autor.

>>>>>[Hoi, Ihr da draußen in den Schatten. Sicherlich habt Ihr in letzer Zeit einiges von Proteus gehört, dem geheimnisvollen Konzern in der Nordsee. Vielleicht glaubt Ihr, die Gerüchte übertreiben. Aber vertraut mir, dem ist nicht so. Durch Zufall kam ich an die Aufzeichnungen eines Mitarbeiters von Proteus, oder sollte ich besser sagen eines Sklaven des Konzerns. Da er anscheinend in der Lage war seine Gedanken bis kurz vor seinem Ableben festzuhalten, vermute ich, daß er einen Memospeicher oder ähnliches besaß. Fragt mich bitte nicht, wie dieser Bericht in meine Hände gekommen ist. Ich darf es Euch nicht sagen. Lest Euch den Bericht durch, und macht Euch dann Euer eigenes Bild zu Proteus]<<<<<
- Matrix-Wulf <10:41:23/03-02-59>


13. März 2058

Sie sagten mir, mein Name sei Jäger, Karl Jäger.
Sie sagten mir, ich sei ein Konzernrigger.
Sie sagten mir, ich hätte einen Unfall mit meinem Tauchboot, einer Delphin-232, gehabt.
Sie sagten mir, ich sei mehrere Tage lang im Koma gelegen.
Ich muß ihnen wohl glauben.
Sicher, ich erinnere mich an Dinge, aber alles ist so verschwommen, so nebelhaft. Alles erscheint mir wie ein Traum den ich nicht greifen kann. Nur an eines kann ich mich wirklich erinnern, an den Tank. Ich spüre noch immer diese schleimige Flüssigkeit auf meiner nackten Haut, schmecke ihren leicht bitteren Geschmack auf der Zunge und fühle wie sie meine Lungen füllt. Dann, ...nichts mehr.
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich auf einem Operationstisch erwache. Sensoren sind an meinen Oberkörper gehaftet, neben mir steht ein Monitor, der meine Vitalwerte anzeigt. Stimmen dringen von irgendwo an mein Ohr, langsam vergrößert sich mein Sichtfeld. Mehrere Personen, Menschen und Elfen, stehen um mich herum. Die meisten tragen weiße lange Mäntel, irgendwie erinnern sie mich an Wissenschaftler oder Ärzte. Nur zwei der Menschen sind in schlichte schwarze Uniformen gehüllt. In den Halftern an ihren Gürteln kann ich schwere Pistolen ausmachen, Savalette Guardians, schießt mir ein Name durch den Kopf. Ich kenne mich als auch mit Waffen aus.
Sie führen mich aus dem Raum, geben mir Kleider, eine schwarze Uniform. Keine Abzeichen, keine Embleme, genau wie bei den Wachen. Dann erklären sie mir das wenige das ich nun weiß.
Sie stecken mich in dieses Zimmer hier. Ein kleiner Raum, nur wenige Quadratmeter. Sie sagten es wäre mein Zimmer, aber alles sieht so fremd aus. Ein Bett, ein Schrank, vollgestopft mit Kleidern, alles Uniformen, schwarz, ein Computerterminal, keine Fenster. Durch eine Tür komme ich ins Bad, auch hier sind keine Fenster, aber ein Spiegel.
Das Gesicht, das mich aus dem Spiegel anstarrt, kenne ich nicht. Aber es muß wohl meines sein. Ich bin wohl etwa Anfang 30, ein Mensch, kurze braune Haare, glattrasiert. Die Augen erschrecken mich zunächst, es sind nicht die Augen eines Menschen, nicht mal die eines Lebewesens, keine Pupillen, keine Iris, nur das Glänzen von Chrom. Cyberaugen, künstliche Implantate, genau wie die zwei ebenfalls chromblitzenden Buchsen an meiner Schläfe. Natürlich, sie sagten ich sei Rigger, Rigger haben Buchsen. Aber das seltsamste sind die Kiemen, direkt über den Hüften, auf beiden Seiten meines Körpers sind Kiemen. Andererseits, sie erwähnten ein Tauchboot, wieso also keine Kiemen.
Lange sitze ich allein in dem Zimmer und denke nach.
Wer bin ich?
Wo bin ich?
Ich finde keine Antworten, ich kann mich nicht erinnern. Alles ist so schemenhaft, keine klaren Konturen, nichts was mir helfen könnte.
Also beschließe ich mich etwas umzusehen. Aber die Türe ist verschlossen. Bin ich ein Gefangener? Aber Sie sagten doch ich würde für Sie arbeiten.
Sie?
Wer sind Sie?

14. März 2058

Sie.
Ein Konzern.
Proteus.
Ich kenne den Namen. Aber ich weiß nicht woher. Ob es etwas mit diesem Traum zu tun hat? Ich sah Straßen, aber es waren keine richtigen Straßen. Sie waren überflutet. Wie die Kanäle Venedigs, und doch so anders. Früher einmal sind es Straßen gewesen, aber dann...kam das Wasser. Der Name einer Stadt kommt mir in den Sinn, Hamburg. War ich schon einmal in Hamburg? Ich weiß es nicht. Ich habe auch keine Zeit weiter darüber nachzudenken.
Sie führten mich herum. Ich bin auf einer riesigen künstlichen Insel, eine Arkologie, mitten in der Nordsee. Ich war draußen, nur kurz. Das Meer war vergiftet, eine stinkende Kloake, nichts Natürliches kann dort leben. Sie erzählten mir von Giftgeistern und noch schrecklicheren Wesen. Wollten Sie mir Angst machen? Verhindern das Gedanken an Flucht aufkommen? Wieso sollte ich fliehen?
Schließlich arbeite ich für sie.
Die Arkologie ist wirklich riesig, eine ganze Stadt, mitten im Meer. Irgendwann wird es hier alles geben, Parks, Geschäfte, einfach alles. Natürlich nur für Konzernleute. Jetzt leben nur wenige hier, etwa 1000, sagten Sie. 500 davon sind Wachen, Soldaten, wie ich. Ich bin Kampfrigger.
Sie sagen ich solle mich noch etwas erholen, meine Medikamente nehmen, die Sie mir geben. Nur noch ein paar Tage, dann dürfte ich wieder arbeiten.
Endlich.

20. März 2058

Ich bin krank. Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Träume. Proteus sorgt für mich. Man pflegt mich. Sie geben mir Pillen gegen die Träume. Die Träume, so real. Und immer die gleichen. Ich in den überfluteten Straßen Hamburgs. Ich fahre ein Boot. Bei mir sind ein Mensch und ein Zwerg. Ich kenne sogar ihre Namen. Silverfox, der Elf, hochvercybert, eine Kampfmaschine, und Little Buddah, der Zwerg, ein Hexer. Seltsames Gespann, ein zaubernder Zwerg und ein kämpfender Elf. Verrückt.
Aber es ist ein Traum, Träume sind meist verrückt.
Und doch, es scheint so wirklich. Wir treffen uns mit einem Typen, schwarzer Anzug, schwarze Sonnenbrille, eingefrorenes Lächeln. Ich habe keine Ahnung um was es geht. Ich kann nichts hören in meinen Träumen. Nur diese Bilder. Ernste Gesichter, ab und zu ein Nicken. Dann brechen wir auf. Ich, der Zwerg und der Elf. Irgendwo an der Küste wechseln wir das Boot. Ein kleines, wendiges Motorboot. Im Bug sind Geschütze eingebaut, zwei Autokanonen mit Explosivgeschoßen. Wir haben sogar Torpedos an Bord. Nur zwei, aber immerhin. Dann geht es los, weit hinaus auf die Nordsee.
Direkt in die Hölle.
Plötzlich überall Licht.
Ein Hubschrauber hängt über uns in der Luft, Motorboote kommen auf uns zu. Eine Falle. Man hat uns erwartet. Ich werde eins mit dem Boot, eins mit den Waffen, die Kanonen spucken Feuer auf die Boote der anderen, Silverfox deckt den Hubschrauber aus seiner Panther ein. Little Buddah reist die Arme in die Höhe und schreit etwas. Wieder kann ich nichts hören. Alles ist ruhig. Aber ich sehe wie sich die Kugeln meiner Kanonen in das erste Boot bohren, kleine Explosionen zerfetzen den gepanzerten Rumpf, angsterfüllte Gesichter starren mich an.
Über uns gerät der Hubschrauber ins Trudeln, Silverfox Schüsse müssen den Rotor getroffen haben, überall fliegen Funken durch die Luft.
Endlich erwidern die anderen das Feuer. Aus allen Rohren fliegen uns Kugeln entgegen. Noch immer sind 3 Boote da draußen, und sie schießen sich langsam ein. Silverfox reist es von den Beinen über die Reling, völlig lautlos schließt sich das brackige Wasser über ihm. Wütend jage ich meine Torpedos los, gebannt sehe ich wie sie ihre Spur im Wasser ziehen. Lautlose Schreie auf dem anderen Boot, dann ein riesiger Feuerball.
Einer weniger.
Endlich zeigt Buddahs Magie Wirkung, eine Windhose fegt auf eines der Boote zu, reist es in die Höhe. Verzweifelt stürzen sich die Soldaten in das Wasser der Nordsee. Plötzlich durchzucken mich schreckliche Schmerzen.
Feuer, überall Feuer, das ganze Boot steht in Flammen.
Dann, endlich wache ich auf.
Jede Nacht der gleiche Alptraum.
Ich hoffe nur die Pillen wirken bald.

04. April 2058

Es ist vorbei. Die Ärzte meinen ich sei wieder gesund. Die Träume sind wenigstens verschwunden. Endlich kann ich wieder ruhig schlafen.
Ich kann auch wieder arbeiten.
Eine gefährliche Arbeit.
Mit meinem Tauchboot, einem kleinen, offenen U-Boot, muß ich den Minengürtel um die Arkologie untersuchen. Alle 2 Tage bin ich unten, ohne Sauerstofflaschen. Wieso auch, ich habe ja die Kiemen. Bisher lief alles gut, auch wenn schon viele andere Taucher von Giftgeistern angegriffen wurden. Auf der Arkologie sind ständig 6 Magier in Bereitschaft, 3 davon durchstreifen pausenlos den Astralraum, um die Taucher rechtzeitig warnen zu können.
Proteus schützt seine Männer.
Proteus schützt mich.

18. April 2058

Alarm!
Überall schreien die Sirenen.
Jemand versucht in die Arkologie einzudringen.
Schnell springe ich aus meinem Bett, schlüpfe in meine Uniform und greife nach der Guardian.
Draußen herrscht Chaos.
Ein kleines Motorboot, hat den äußeren Ring durchbrochen und hält genau auf die Arkologie zu. Die meisten schwimmenden Einheiten beschäftigen sich gerade mit einer kleinen Flotte von Piraten.
Die Reserve muß raus.
Wenig später bin ich unter Wasser, die Delphin-232 rast mit mir auf das Boot zu. In dem kleinen Stauraum des Tauchbootes tickt eine Haftmine. Ich habe nur wenig Zeit sie anzubringen, aber es ist die letzte Möglichkeit. Das Boot darf die Arkologie nicht erreichen.
Sie scheinen kein Sonar zu haben, keine Reaktion als ich längsseits gehe. Mühelos paßt sich die Delphin der Geschwindigkeit des Bootes an. Die Magnetgreifer ausfahren und andocken ist ein reines Kinderspiel.
Jetzt noch die Mine an den Rumpf.
Und dann weg.
So sollte es jedenfalls sein, aber etwas hält mich zurück. Bevor ich verschwinde will ich sehen mit wem ich es zu tun habe. Also tauche in an der Seite des Bootes auf, riskiere einen Blick über die Reling.
In dem Boot sind drei Personen, der Fahrer, ein Rigger, eine junge Orkfrau, bis an die Zähne bewaffnet, und der Zwerg.
Nicht irgendein Zwerg.
Der Zwerg aus meinen Träumen.
Wie erstarrt hänge ich an der Reling, kann mich nicht mehr rühren.
Da sieht die Orkfrau in meine Richtung. Sie muß hochvercybert sein, nur so ist es möglich das MG so schnell hochzureisen und auf mich zu richten. Aber dann stockt sie, sie sagt etwas zu dem Zwerg, aber der jaulende Motor des Bootes ist zu laut, ich kann nichts verstehen.
Der Zwerg dreht sich um, sieht mich an, direkt in meine Cyberaugen.
Dann kommt er rüber, beugt sich zu mir herunter. Er streckt die Hand aus und sagt etwas.
Nur ein Wort kann ich verstehen, ein einziges Wort "Shark".
Shark!
Ich bin Shark.
Nicht Karl Jäger.
Ich bin Shark.
Ich bin ein Schattenläufer.
Endlich kann ich mich wieder klar erinnern.
Die Träume.
Sie waren echt, Erinnerungen.
Irgendwie wurden sie aus meinem Gedächtnis gedrängt.
Es war ein Run, ein Run gegen Proteus.
Zusammen mit meinen besten Freunden, Silverfox und Little Buddah.
Proteus!
Was haben sie mit mir gemacht?
Ich wurde ihr Werkzeug, ein Sklave des Konzern ohne eigenen Willen, ohne eigene Erinnerungen.
Ich heftete eine Mine an das Boot meiner Retter.
Oh Gott...
Die Mine...
Ich...

25. April 2058

Sie sagten mir, mein Name sei Jäger, Karl Jäger.
Sie sagten mir, ich sei ein Konzernrigger.
Sie sagten mir, ich hätte einen Unfall mit meinem Tauchboot, einer Delphin-232, gehabt.
Sie sagten mir, ich sei mehrere Tage lang im Koma gelegen.
Ich muß ihnen wohl glauben.
...



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